Es ist ein reines Trostpflaster für die USA, damit sie ihren von Präsident Trump verfügten Truppenabzug aus Syrien wenigstens mit einem diplomatischen Erfolg garnieren können: US-Vizepräsident Pence konnte nach seiner Vermittlungsmission in Ankara prompt die Erzielung einer Waffenruhe in Nordsyrien bekannt geben. Es ist aber ein Sieg Ankaras auf ganzer Linie. Der Vereinbarung zufolge sollen sich die kurdischen YPG-Einheiten nun von sich aus von der Grenze zur Türkei zurückziehen, damit dort die von der Türkei geplante Sicherheitszone errichtet werden kann. Auch die Führung der sogenannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) erklärte, sich an die Waffenruhe halten zu wollen.
US-Präsident Donald Trump, der wegen des US-Abzugs heftig kritisiert wird, zeigte sich mit der Einigung in Ankara zufrieden. Es sei ein „großartiger Tag für die Zivilisation“, twitterte der Präsident und gratulierte allen Beteiligten.
Vorerst soll eine 120-stündige Waffenpause in der betroffenen Grenzregion gelten. Während dieser Zeit sollen sich die kurdischen Kämpfer zurückziehen (die ansonsten von der türkischen Armee niedergekämpft oder vertrieben worden wären). Laut Pence will US-Präsident Trump nun auch die gegen die Türkei wegen der Militäroffensive verhängten Sanktionen wieder aufheben. Vorerst würden auch keine weiteren Strafmaßnahmen gegen die Türkei verhängt, sagte er.
Die Türkei will die Vereinbarung unterdessen nicht als Waffenruhe verstanden wissen. Die Offensive werde nicht gestoppt, sondern „unterbrochen“, betonte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Wenn die YPG innerhalb von fünf Tagen abgezogen sei, ihre schweren Waffen abgelegt und ihre Stellungen zerstört habe, werde die Offensive aber enden, fügte er hinzu. Cavusoglu betonte auch, daß die Türkei die Kontrolle über die Zone haben werde. „Es wurde vollkommene Einigung erzielt, daß die Kontrolle dort von den türkischen Streitkräften übernommen wird.“
Unter dem Strich läßt sich der Sieg der russischen Diplomatie, die hinter den jüngsten Entwicklungen dezent Regie führte, nicht hoch genug veranschlagen: die USA draußen, die Türkei und Syrien am Verhandlungstisch und beide von Rußland abhängig; und die Kurden als regionaler Störfaktor ausgeschaltet – noch dazu mit freundlicher Unterstützung des amerikanischen Vizepräsidenten. Rußland ist jetztauf dem besten Wege, die USA als neue Ordnungsmacht im Mittleren Osten abzulösen, und hat die Chance, die Region dauerhaft zu befrieden, nachdem die westlichen Brandstifter aus dem Spiel sind. Viele im Westen haben die Tragweite der aktuellen Ereignisse noch gar nicht begriffen. Wir erleben nicht mehr und nicht weniger als eine Epochenwende.